Lambert Maria Wintersberger


Werke aus den 1960er Jahren

20. November 2023 - 23.Februar 2024

German Pop – Eine kritische Perspektive der deutschen Nachkriegszeit

German Pop entwickelte sich in den 1960er Jahren als eigenständige Adaption der britischen und amerikanischen Pop Art, die sich mit Konsumkultur, Massenmedien und gesellschaftlichen Phänomenen beschäftigte. Anders als ihre angloamerikanischen Pendants zeichnete sich German Pop durch eine stärkere Fokussierung auf die gesellschaftlichen und kulturellen Realitäten der Nachkriegszeit aus. Besonders Künstler wie Sigmar Polke und Lambert Maria Wintersberger verbanden die Ästhetik der Werbewelt mit einer tiefgreifenden Gesellschaftskritik, die die Widersprüche der Konsumgesellschaft offenlegte. Wie in der amerikanisch-britischen Pop Art wurden auch hier Malerei und Skulptur bevorzugte Ausdrucksformen.

Wintersbergers Werk aus dieser Zeit zeigt eine unverwechselbare Handschrift. Seine Serie Verletzung etwa nutzt überdimensionierte Körperteile – Finger, Daumen oder Mundpartien – und kombiniert sie mit scharfen, alltäglichen Werkzeugen wie Rasierklingen oder Nägeln. Diese drastischen Darstellungen wirken unmittelbar auf den Betrachter und verdeutlichen, wie die Schönheit der Konsumwelt Schmerzen und Gewalt verschleiern kann. Klaus Honnef beschrieb Wintersbergers Ansatz treffend: 

Psychische Nötigungen werden durch physische vergegenwärtigt!

Die Weichzeichner-Ästhetik seiner Arbeiten kontrastiert auf schaurige Weise mit den dargestellten Verletzungen und macht die Widersprüchlichkeit der scheinbar perfekten Oberfläche sichtbar. 

Seine Porträts, die zwischen abstrahiertem Naturalismus und gestischem Ausdruck changieren, zeigen eine Ambivalenz, die den Betrachter unmittelbar anspricht. Die collageartig zusammengesetzten Gesichtspartien wirken teils wie Fragmente eines Puzzles, das nicht vollständig aufgeht. Dennoch entstehen Bilder von intensiver Präsenz, die immer erkennbar menschlich bleiben.

In seinen Selbstporträts lässt Lambert Maria Wintersberger keine Distanz zwischen sich und seiner Kunst. Er entzieht sich bewusst jeder idealisierenden Darstellung, um das eigene Ich ungeschönt und schonungslos zu beleuchten. Doch dabei geht es ihm nicht um eine Vorführung von Zerstörung oder Dekonstruktion im philosophischen Sinne, sondern um das ehrliche Erkunden dessen, was bleibt, wenn die äußere Hülle aufgebrochen wird. »Ich kann mich nur auf meine geringen Mittel verlassen, darauf, dass mit Farbe etwas entsteht, was erstens mich überrascht und zweitens doch wahr ist«, sagte Wintersberger selbst und fasste damit den Kern seines künstlerischen Anliegens zusammen.

German Pop war nie reine Unterhaltung, sondern stets ein Reflex auf die Verhältnisse, die das Leben in der Nachkriegsgesellschaft prägten. Lambert Maria Wintersberger zählt zu den Künstlern, die die Spannung zwischen Formvollendung und inhaltlicher Tiefgründigkeit meisterhaft in Bilder übersetzen konnten – und damit die Gesellschaft mit ihren eigenen Abgründen konfrontierten.

Wir zeigen in dieser Einzelausstellung Werke von Lambert Maria Wintersberger aus den 1960er Jahren. Diese frühen Werke zeichnen sich durch eine einzigartige Interpretation der Pop Art aus. In Anbetracht der deutschten Geschichte und den Wunden, die Kriegsjahre im Inneren wie Äußeren hinterlassen haben, schafft es Lambert Maria Wintersberger auf bemerkenswerte Weise, die glatte Hochglanzästhetik mit psychologischen Traumata zu verbinden. Seine Werke wurden von den Zeitgenossen gefeiert und sicherte ihm eine Position unter den besten deutschen Nachkriegskünstlern Deutschlands.